Die Faszination des Urwaldes ist etwas zutiefst natürliches. Sie resultiert aus einer tiefen inneren Sehnsucht, denn letztendlich strebt alles, also nicht nur unser Körper sondern auch unsere Seele, in den Urzustand zurück. Schon als Jugendlicher war ich begeistert davon, dass es in Österreich noch einen echten Urwald gibt. Den Rothwald. Schon damals war das Begehen dieses Gebietes strengstens verboten. Viele Landsleute wissen bis heute nichts von dessen Existenz, da vor allem in der Vergangenheit auf ein Publik machen des genauen Ortes bewußt verzichtet wurde. Der Zugang ist weit, und die Kernzone nicht ganz einfach zu finden.

Ohne Internet war es damals noch schwierig genaueres herauszufinden, aber ich habe es trotz aller Hürden in Erfahrung gebracht und mit einem Freund dem Gebiet, ich glaube es war 1986, einen „unerlaubten“ Besuch abgestattet. Ich erinnere mich noch, dass wir bei einem Bachstück , wo die Forellen aufgrund des niederen Wasserstandes weder vor noch zurück konnten mit der bloßen Hand gefischt haben und die Natur dort in vollen Zügen genossen haben. Damals waren wir in unserem jugendlichen Leichtsinn völlig unbedarft und aus heutiger Sicht wohl auch ziemlich respektlos. Heute würde ich das selbstverständlich nicht mehr machen und achte dieses Gebiet als höchst schützenswert.
Erneut zu Gast im Rothwald
Weil ich dieses Gebiet jedoch mit meinem jetzigen Wissenstand zur Natur und Pilzen (vor allem was die Baumpilze betrifft) noch einmal besuchen wollte, habe ich mich mit meiner Freundin zu einer der wenigen und meist schnell ausgebuchten Exkursionen angemeldet. Das Schöne an dieser Art des Besuches ist, dass man von fachkundigen Biologen doch eine ganze Menge neuer Informationen über dieses Gebiet, z.B. über Geologie, Fauna und Flora, erfahren und lernen kann. So hörten wir zum Beispiel diesmal untypischer Weise am Tage den Ruf des Rauhfußkauzes (Aegolius funereus) – so hört er sich übrigens an: Ruf Rauhfußkauz – und staunten über die Häufigkeit des Grünspanbecherlings (Chlorociboria aeruginascens). Das grünlich-blaue Holz wurde in der Zeit der Renaissance übrigens für Intarsienarbeiten verwendet weil der Farbstoff Xylindein ziemlich lichtbeständig ist.

Auch den gefährlichsten Schadpilz an jungen Fichten, den Schwarzen Schneeschimmel (Herpotrichia juniperi) kannte ich bis dato noch nicht. Ich hatte ihn an Nadelbäumen zwar schon unzählige Male gesehen, wusste jedoch nicht genau, um was es sich dabei handelt. Nach einem schneereichen Winter, wir sind noch über Schneefelder gestapft, hat er dieses Jahr wohl ideale Bedingungen vorgefunden. Eine Besonderheit haben wir leider (noch) nicht zu Gesicht bekommen. Den Duftenden Feuerschwamm. Aber es ist ja durchaus etwas Schönes auch weiterhin hohe Ziele zu haben, nämlich diesen Duftenden Feuerschwamm zu besuchen, zu riechen, einmal zu sehen, von dem es weltweit nur mehr ein paar bekannte Fundstellen gibt, wovon sich eine im Rothwald befindet (siehe Bilder im Pilzforum).
Die Urwälder hier waren Buchenwaldgesellschaften
Was ich bisher auch noch nicht wusste: Dass ohne Einfluss des Menschen 70 – 80% mitteleuropäischer Wälder Buchenwaldgesellschaften wären, dass die Fichten Spezialisten in der Kadaververjüngung sind (also bevorzugt am Totholz wachsen um nach dem Winter am Schnellsten aus dem Schnee zu kommen und um den Kampf um das Licht zu gewinnen), dass junge Tannen jahrelang im Schatten leben können, bis sie nach einem eventuellen Baumbruch in ihrem Umfeld das entstandene Lichtloch sofort nutzen können, und dass Lärchen darauf spezialisiert sind auf Gestein und Geröll zu keimen (was ihre Konkurrenzschwäche auf normalen Böden wettmacht). Alleine daran erkennt man schon, dass nicht alle Bäume gleich sind, was ihre Fähigkeiten und Spezialisierungen im Verdrängungswettbewerb anbelangt.

Reinhard Pekny, einer der Wildnisranger im Naturpark Dürrenstein, schrieb in den Wildnis News einmal: „Doch ebenso wie von anderen Kulturleistungen der Menschheit eine essentielle emotionale Nahrung für unser Menschsein ausgeht, spendet uns auch die Wildnis eine tiefgehende Selbsterfahrung. Sie regt uns zur Selbstreflexion an und kann helfen, unseren Platz in diesem Universum zu definieren und zurechtzurücken. Sie ermöglicht uns eine Kalibrierung des Wertesystems, sie relativiert unser Schubladendenken in Gut und Böse, in Schädlich und Nützlich.“ Trotz, oder gerade wegen dieser ganzheitlichen Sichtweise gibt es auch in der Biologie anscheinend Diskussionen über „Neubürger oder schädliche Eindringlinge?“. Ich kann jedem empfehlen, über den Wegen der Grünen Dame (also der Natur) zu neuen Erkenntnissen und zu einer über den Intellekt hinausgehenden Weisheit zu gelangen.


Wir sollten der Natur wieder das Recht auf Selbstbestimmung zugestehen, uns zurücknehmen, sie gut beobachten und von ihr lernen. Ein wenig Demut in dieser Hinsicht täte uns allen gut. Denn in der Wildnis wurzelt letztendlich alles Wissen einer erfolgreichen Kultivierung. Wer die Natur in ihrer ursprünglichen Form nicht versteht, wird nichts je wahrhaft kultivieren. Nicht in der Forst- und Landwirtschaft, nicht in der Kunst und schon gar nicht in der Seele. Sich die Natur untertan zu machen bedeutet nicht sie auszubeuten, sondern ihre Gesetzmäßigkeiten zu begreifen, um niedere Seinszustände harmonisch in höhere verwandeln zu können. So gesehen entspricht der Urwald der Urmutter, der Ur-Seele aller Seelen, der christlichen Maria, der Universalseele platonischer Welterklärung. Von daher erklärt es sich, dass der österreichische Urwald in unmittelbarer Nähe zu Mariazell (jede Zelle ist ein Grundbaustein) liegt. Die Liebe zur Natur ist etwas großartiges, doch nur mit einem Sensorium für die verborgene Natur erschließt sich der Unterschied der Natura naturata und der Natura naturans.
Der Mensch, die Natur und das Klima
Wenn der Mensch sich eines Tages wandelt, wird sich auch das Klima wandeln. Das Klima ist nur Ausdruck des Ergebnisses unserer Begehrlichkeiten. Da die Begehrlichkeiten des Menschen maßlos sind, ist Disharmonie in der Folge das Ergebnis. Erst wenn wir hinter den Schleier der sichtbaren Natur blicken, eröffnet sich das Wirkliche im Hintergrund der Natur.

Nur auf diese Weise werden wir eines Tages lebendige Zeugen des Übernatürlichen sein. Sobald wir die Gesetze der Natur gefunden haben, können wir diese zum Zwecke unserer Erlösung unter Kontrolle bringen. Nur das und nichts anderes ist damit gemeint, wenn es heißt, dass wir uns die Erde untertan machen sollen. Darum ein Aufruf an Euch alle: Geht in die Natur und öffnet Euch für die dahinter liegende Wirklichkeit. Das ist sinnvoller als jede Demo gegen den Klimawandel. Die Welt braucht keine trivialen Weltverbesserer, sondern Menschen, die in der Natur wieder lesen können und imstande sind, der Stofflichkeit das Schöpfungsgeheimnis zu entlocken. Nur aus dieser Einsicht heraus kann das Zeitlose im Zeitlichen begriffen werden und wahrhafte Transformation zum Guten erfolgen.
Herzlichst, Euer Klaus Josef