Im Rahmen der heurigen Seminarwoche der ARGE Pilzberater durfte ich Jürgen Guthmann, den Autor von Heilende Pilze – Die wichtigsten Arten im Porträt, kennenlernen. Zugegebenermaßen ein Highlight für mich, sind doch gerade die Heilpilze meine Passion. In dieser Woche hat Jürgen Guthmann, der nach seiner eigenen Aussage eher öffentlichkeitsscheu ist, zwei Ausnahmen gemacht. Erstens hat er einen Vortrag über Heilpilze gehalten, kein leichtes Unterfangen, weil er für gewöhnlich keine Vorträge hält, darin also nicht so erfahren ist und kontroverse Themen in einer solchen Community naturgemäß immer eine Gratwanderung bedeuten, und zweitens hat er mir die Zeit für ein wirklich sehr ausführliches Interview geschenkt, wofür ich ihm von ganzem Herzen dankbar bin. Dieses in entspannter Atmosphäre geführte Gespräch ist zwar etwas länger, aber für alle, die sich mit Heilpilzen beschäftigen und sein Werk schätzen, sicherlich von Interesse. Deshalb möchte ich es hier an dieser Stelle auch in ungekürzter Form zur Verfügung stellen:
Worin gründet Dein Interesse an Heilpilzen, respektive Deine Intention gerade darüber ein Buch zu schreiben?
Was die Heilpilze oder überhaupt die Pilze anbelangt, gab es von meiner Familie her wenig Inspirationen. Dieses Interesse ist im Laufe der Zeit eher ganz von selbst entstanden und gewachsen. Die Möglichkeit, selbst etwas für seine eigene Gesundheit zu tun, diese gezielt beeinflussen zu können, das fand ich schon immer faszinierend. Schon lange bevor es das Internet gab habe ich mir einen glänzenden Lackporling in Pulverform aus China schicken lassen, woraus ich mir einen Tee gemacht habe. Damals war das hier etwas ganz Neues. Ein Pilztee, der noch dazu bitter war, ohne Dosierungsanleitung. Es gab zu dieser Zeit ja auch noch nichts darüber zu lesen, da hast du das Pulver bekommen und fertig. Dazu gekommen bin ich damals über den Piper Verlag, die hatten immer auch so Underground Literatur. Die Idee mit dem Reishi anzufangen stammte ursprünglich aus einem Buch von Gordon Wasson über den Fliegenpilz (SOMA. Divine Mushroom of Immortality). Obwohl sich in dem englisch sprachigen Buch manches meinem damaligen Verständnis entzog, war da trotzdem irgendwie der Gedanke präsent, dass in dem Pilz so etwas wie ein göttlicher Rauschtrank drinnen ist. In dem Buch befanden sich auch Abbildungen und ein Bericht zum glänzenden Lackporling (Reishi). Als ich den zum ersten Mal auf dieser Abbildung gesehen habe dachte ich, dass das gar kein Pilz sein könne. Erzählt mir jetzt bloss nicht, dass das ein Pilz ist, der schaut doch total künstlich aus. Das war mein erster Kontakt mit dem Thema.
Danach bin ich irgendwie auf den Jan Lelley gestoßen, sein Buch gehörte in dieser Zeit zu den ersten Publikationen zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum. Von ihm stammt auch der Begriff Mykotherapie. Das war für mich ein ganz besonderes Buch, weil er das alles so begeistert beschrieben hat. Der Spruch „Wer Pilze isst lebt länger“ hat mir von Anfang an imponiert und die ganzen Angaben, die er zu den Pilzen gemacht hat haben mir bewusst gemacht, dass die Verwendung der Heilpilze bei uns viel älter ist, als ich bisher gedacht hatte. Bis dato war nichts bekannt, zumindest hat man nichts davon gehört, und dann schreibt da plötzlich jemand darüber und weist auch nach, dass es so eine Verwendung selbstverständlich schon gegeben hat. Letztendlich war dadurch das Feuer meines Interesses endgültig gezündet und ich fragte mich wo ich denn dazu mehr Informationen bekommen könnte. Im Laufe der Zeit bin ich dann auf ein paar englische oder amerikanische Bücher gestoßen. Zum Beispiel „The Fungal Pharmacy“ von Robert Rogers. Das ist ein Taschenbuch mit ca. 600 Seiten. Darin werden sehr viele Pilzarten mit Angaben dazu aufgelistet, aber alles nicht sehr vertiefend und zum Teil wild vermischt. So findet sich darin zum Beispiel ein Porträt zum Steinpilz. Im ersten Satz geht es noch um den Steinpilz und seinen Inhaltsstoffen, dann schweift er gleich zum Maronen-Röhrling ab und so weiter. Am Ende weiß man nicht mehr welchen Pilz er nun mit welcher Aussage gemeint hat. Aber alles in allem war dieses Buch für mich eine gute Quelle und ich dachte mir, dass man das nur besser machen muss. Vor allem, dass man einmal ein besser strukturiertes deutsches Buch über dieses Thema machen müsse. So etwas gibt es noch nicht, das möchte ich gerne machen, das war es was ich mir damals dachte.
So bin ich in meiner grenzenlosen Naivität angetreten und habe mir gedacht, ich könne ja mit Pilzleuten darüber reden und die müssten ja wohl auch etwas darüber wissen oder sich dafür interessieren. Aber ich habe dann schnell bemerkt, dass das überhaupt niemanden interessiert. Keiner hat sich dafür interessiert, niemand wusste etwas darüber. Die Pilzler sind ein faszinierendes Völkchen. Die treffen sich immer wieder zu Seminaren, darunter echte Koryphäen, die viel über Pilzarten wissen, an welchen Orten diese wachsen, wie man diese unterscheiden kann und so weiter. Aber wenn man fragt, ob es da Informationen zur Verwendung oder zur Anwendung gibt, dann kommt da überhaupt nichts.
Im Grunde genommen müsste man da mehr Feldforschung betreiben habe ich mir gedacht, und seither frage ich so reihum. Inzwischen treffe ich auf immer mehr Verwender, auch solche, die damit experimentiert haben. Auch in den osteuropäischen Ländern ist viel überliefertes Wissen vorhanden. Teilweise bin ich auch an solche Leute geraten und so hat sich das peu à peu entwickelt. Außerdem habe ich auch folgendes gemacht: Es gibt ja mittlerweile viele wissenschaftliche Publikationen über verschiedene Pilzarten – da habe ich geschaut welche Inhaltsstoffe sind da enthalten, was weiß man über die Pharmakologie der Inhaltsstoffe und welche Hinweise gibt es in Bezug auf eine mögliche Verwendung. Das hat zur Folge gehabt, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Material angehäuft hat.
Um zu Bildmaterial zu kommen, habe ich im Internet recherchiert und bei den jeweiligen Urhebern angefragt, ob ich diese für mein Buch verwenden dürfe. Die meisten waren sehr entgegenkommend, haben mir ihre Abbildungen kostenlos zur Verfügung gestellt und mir die Bilder gleich in hoher Auflösung geschickt. Viele haben mir auch weitere Bilder angeboten, wenn ich noch etwas benötigen sollte. Das mit den Bildern war wirklich kein Problem, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Anders wäre das aber auch nicht möglich gewesen. Ich wusste ja gar nicht, ob das Buch erfolgreich werden würde, und selbst wenn es erfolgreich werden würde handelt es sich trotzdem um ein Nischenprodukt.
Kannst Du uns etwas zu Deinem beruflichen Werdegang erzählen?
Eigentlich wollte ich immer etwas im Biologiebereich machen, weshalb ich zunächst auch mit einem Biologiestudium begonnen habe. Da bin ich aber grandios gescheitert, weil ich mit dem Uni-Betrieb gar nicht zurecht kam. Naturwissenschaften haben mich immer interessiert, die Chemie mehr als die Biologie. Aber Chemie habe ich mir nicht zugetraut. Da hat man immer gehört „endloses Studium“ und so. Naja, da habe ich mir gedacht, ich könnte an die FH gehen und dort den Chemie Ingenieur machen. Diesen Weg bin ich dann auch tatsächlich gegangen und das hat mir auch mehr entsprochen, weil es etwas verschulter bzw. strukturierter war als an der Uni. Im Anschluss daran bin ich jedoch in einem ganz anderen Bereich gelandet, nämlich der Mikrobiologie. Dort haben wir unter anderem an den Erbinformationen von Bakterien geforscht und so habe ich gewissermaßen auch die Anfänge der Gentechnologie mitbekommen.
Weil die Arbeitsstelle auf fünf Jahre befristet war, musste ich mir nach Ablauf der Zeit einen neuen Job suchen. Ich hatte Glück, weil ich darauf an die FH Weihenstephan gekommen bin, die suchten zu dieser Zeit gerade einen Laboringenieur im Bereich Ernährungs- und Versorgungsmanagement. Unter Ernährung kann man sich auch Pflanzen vorstellen, also alles was der Mensch isst. Das war ein spannendes Betätigungsfeld für mich. Dort habe ich auch viele Techniken zur analytischen Untersuchung kennen gelernt. Meine dortige Tätigkeit hat mir auch im Hinblick auf mein Buch geholfen. Nachdem ich dort auch mit der Erstellung von Unterlagen für den Praktikumsbetrieb betraut war, habe ich ein Händchen dafür entwickelt komplizierte Sachverhalte möglichst einfach aufzubereiten. Also so, dass man diese versteht, dass es spannend zu lesen und wissenschaftlich richtig ist.
Was waren Deine ersten Schritte zum Buchautor und als Buchautor?
Die Idee zum Buch hing mit meiner Tätigkeit an der FH Weihenstephan zusammen. Dort habe ich mir irgendwann die Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen von Steffen Fleischhauer besorgt. Im Klappentext habe ich gelesen, dass der Steffen Fleischhauer in Weihenstephan studiert hat, worauf ich ihn kontaktiert und in Weihenstephan getroffen habe. Wir waren uns spontan sympathisch und er sagte, „Mensch, wir können ja mal miteinander was machen“. Wenig später bekam er das Angebot etwas über essbare Wildpflanzen zu machen. Als er mich fragte, ob ich Lust hätte da mitzumachen war ich total happy und habe gleich zugesagt. Dadurch bin ich letztendlich zum Autor geworden. Mein erster Zugang dazu fand so gesehen also über die Kräuter statt.
Nach diesem Buch habe ich mich gefragt, was denn so eigentlich so ganz mein Ding sei. Weil im Wildpflanzenbereich war Steffen in der öffentlichen Wahrnehmung der unbestrittene Kopf des Autorenteams (wir waren zu dritt), das hat sich relativ schnell heraus kristallisiert. Daher ist in mir der Wunsch aufgekommen, selber etwas zu machen was so ganz mein Ding ist. Und da waren halt die Heilpilze. Damals hat man mit dem Begriff ja noch ein unheimliches Problem gehabt. Heilpilze, Vitalpilze, Medizinalpilze, Pilze mit heilender Wirkung… wie sag ich es dem Kind?
Zwischenfrage: Warum interessiert Dich das Thema Heilung überhaupt?
Wahrscheinlich weil ich ein latenter Hypochonder bin (lacht). Die Gesundheit zu erhalten, diese zu fördern und positiv beeinflussen zu können, das ist doch das Wichtigste, oder? Wenn du krank bist, ist alles andere zweitrangig. Ein gesunder Mensch muss zusätzlich nichts einnehmen, aber ich habe natürlich immer zusätzlich etwas eingenommen. Präventiv halt. Dabei neige ich zum Extremismus (lacht). So habe ich damals noch geraucht und nebenbei Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, sozusagen um mir selbst die Absolution zu erteilen. Ich rede mich ja jetzt gerade um Kopf und Kragen, da müssen wir nachher noch schauen was du daraus machst und über mich schreibst (lacht). Aber ok, ich bin ja ein ehrlicher Mensch.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Buches?
Zunächst wollte ich das Buch gar nicht alleine machen. Ursprünglich wollte ich es mit der Rita Lüder machen, über die bin ich auch zu meinem zweiten Verlag gekommen. Die Rita Lüder habe ich genau so kennengelernt wie den Steffen Fleischhauer. Ich habe mir von ihr das Buch Grundkurs der Pilzbestimmung besorgt und war ganz begeistert davon, wie sie das gemacht hat. Ich habe sie kontaktiert und wir haben uns spontan gut verstanden. In der Folge habe ich sie auch besucht, wir haben viel miteinander telefoniert und hatten ein gutes, freundschaftliches Verhältnis. Als sie ein Angebot bekam ein Bestimmungsbuch zu schreiben und mich fragte, ob ich das machen möchte habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gleich zugesagt. Der Quelle & Meyer Verlag hatte immer einen Grundkurs und zusätzlich ein kleines Lexikon dazu gemacht. Dieses kleine Lexikon hätte ich erstellen dürfen. Eigentlich wollte ich kein Taschenlexikon über Pilzbestimmung sondern ein Buch über Heilpilze machen. Aber dafür war die Zeit damals einfach noch nicht reif. Kein Verlag hat sich das zur damaligen Zeit getraut, die hatten alle Angst, dass das nicht gekauft wird oder sie dafür zerrissen würden. Da habe ich mir gedacht, ok das wäre ja eine optimale Gelegenheit mein bevorzugtes Thema der Heilpilze mit den ganz normalen Informationen zu den Pilzen zu verbinden. Ich war damals noch so naiv zu glauben, dass ich die Pilzbeschreibungen, ich glaube es ging so um die 150 Arten, selbst hinbekomme.
Dann hat mich mein Weg nach Nürnberg geführt, zur Naturhistorischen Gesellschaft. Dort habe ich mit einem alten Pilzler, einer wahren Koryphäe, gesprochen. Ich glaube sein Name war Reinwald, Friedrich Reinwald. Der hat gleich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen und meinte, wie ich sowas denn bloß machen könne, weil er gleich gesehen hat, dass ich nicht viel Ahnung davon hatte. Was hatte ich damals schon gekannt, 10 oder 20 Arten vielleicht? In seinen Augen war ich ein völlig hemmungsloser Anfänger, aber dass ich ein Buch über Heilpilze machen wollte, das hat ihn noch mehr echauffiert. Ich habe aber erstmal an meinem Vorhaben festgehalten und danach über den Verein den Rainer Reichel kennengelernt, der mir vorschlug den Christoph Hahn dazu zu nehmen.
Das war natürlich ein totaler Dusel von mir, dass ich diese zwei Leute kennengelernt habe. Weil die kannten sich im Pilzbereich bereits supergut aus. Der Christoph Hahn ist ja eine Koryphäe im Pilzbereich, dem pinkelt auch niemand mehr ans Knie wenn er über Pilze schreibt. Und ich für meinen Teil konnte unter der Rubrik Bemerkungen erstmals Aussagen zu Heilwirkungen, zur sonstigen Verwendung oder zu den Inhaltsstoffen machen. So haben wir in die bestehende Pilzliteratur erstmals ein Werk hineingebracht, wo derartige Informationen mit dabei waren. Das hat sich dann auch ganz gut verkauft und war für mich ein wichtiger Etappensieg. Es war zwar noch nicht genau das was ich ursprünglich machen wollte, aber es war bereits mein drittes oder viertes Buch. Und mit diesem Vorspann habe ich es dann tatsächlich geschafft beim AT Verlag, also beim Ausgangsverlag, wo wir auch die Wildpflanzen Bücher gemacht haben, Interesse für ein Buch über Heilpilze zu wecken.
Kurz danach hatte ich dann den Vertrag dazu in der Tasche und fragte die Rita Lüder, ob sie das mit mir machen möchte. Wie so oft hat man am Anfang eine Idee im Kopf, wie das Buch aussehen soll, aber im weiteren Verlauf verändert sich das Konzept so weit, bis es mit der Ausgangsidee nur mehr wenig zu tun hat. Am Ende war ich bei den Pilzporträts angelangt, so wie sie auch im Buch vorkommen. Also 7, 8, 9 Punkte – wie Einführung, Inhaltsstoffe, medizinische Wirkung, sonstige Verwendung, Beschreibung, Verwechslungskandidaten, verwandte Arten mit ähnlichen Inhaltsstoffen und so weiter. Ich habe Informationen gesammelt und wenn ich genug Informationen zusammen hatte setzte ich mich hin um diese Punkte mit Leben zu füllen. Als ich die Zusammenschriften anfangs an Rita geschickt habe, wurde ich immer wieder mit Einwänden konfrontiert, die das Vorhaben nicht wirklich weiter gebracht haben. Also habe ich mit ihr gesprochen, um die Situation zu klären, worauf sie meinte kein Problem damit zu haben aus dem Vertrag auszusteigen. In der Folge ist sie dann aus dem Vertrag ausgeschieden und trotz ihres anfänglichen Verständnisses hat sie seit diesem Zeitpunkt nie wieder mit mir geredet, was mir sehr leid tut und ich bis heute nicht verstehen kann.
Am Schluss, da war das Buch schon fast fertig, hat es nochmals einen Tiefschlag gegeben. Ich bin zuvor ja immer wieder an den AT Verlag heran getreten – ich schicke euch was, schaut euch an, was ich überhaupt mache. Darauf hat der Verlag aber nicht sonderlich reagiert und vorab auch nichts gelesen. Als das Buch so gut wie fertig war habe ich ihnen das endgültige Manuskript geschickt. Dann haben sie es auch gelesen, und ich bekam ein Mail in dem stand, dass sie das so nicht drucken könnten und ich die ganzen chemischen Formeln rausstreichen müsse. Außerdem wäre es viel zu wissenschaftlich, weshalb ich einige Passagen streichen müsse. Da war ich ziemlich fertig und ratlos, was ich denn jetzt machen sollte. Will ich ein eigenes Buch machen, endet hier der Vertrag, weil es so nicht erscheinen kann?
Zuvor hatte ich den Quelle & Meyer Verlag darüber in Kenntnis gesetzt, dass ich gerade an einem Buch über Heilpilze arbeite, um mögliche Vertragsverletzungen zu vermeiden und Unstimmigkeiten schon im Vorfeld auszuräumen. Die Antwort damals war, dass sie darüber nicht glücklich seien und warum ich es denn nicht ihnen angeboten habe. In der danach entstandenen Situation dachte ich mir, na gut, wenn das der AT Verlag in der vorliegenden Form nicht veröffentlichen möchte, dann komme ich auf das Mail zurück und biete es dem Quelle & Meyer Verlag an. So konnte ich ein fertiges Manuskript abliefern, ohne den Inhalt kürzen und anpassen zu müssen. So hat Quelle & Meyer am Ende den Zuschlag für das Buch gekriegt.
Wurde das Buch von Anfang an positiv aufgenommen oder gab es auch Kritik?
Das Buch wurde von Anfang an sehr positiv aufgenommen. Es gab natürlich sachlich kritische Rezensionen, eine davon war zum Beispiel von DGfM-Toxikologe Prof. Dr. med. Siegmar Berndt. Er hat geschrieben, dass er einiges anders machen würde und dass sich im Buch kleine Fehler finden würden. Bei einem so umfassenden Werk kann das aber leider schon mal vorkommen, aber ich denke, dass die Fehler, die mir unterlaufen sind, nicht so gravierend sind. Natürlich werde ich diese sachliche Kritik, für die ich dankbar bin, in der Bearbeitung für Neuauflagen berücksichtigen und laufend korrigieren. Geärgert habe ich mich nur über eine Kritik von Prof. Bresinsky. Seine Rezension hat schon damit angefangen, dass ich den wichtigsten Heilpilz als solchen überhaupt vergessen hätte, nämlich den Schimmelpilz aus der Gattung Penicillium. Aber das Penicillin hat im Buch nichts zu suchen, weil darin ja nur Makromyceten, also Großpilze, vorkommen, was ich übrigens gleich am Anfang des Buches anführe. Ich habe ihm sogar irgendwann einmal geschrieben, dass wir ja gerne gemeinsam etwas über Schimmelpilze machen könnten, aber ich habe darauf keine Antwort bekommen und seither nie mehr etwas von ihm gehört. Inzwischen habe ich für das Buch auch das Gütesiegel der DGFM (geprüfte Pilzliteratur) erhalten. Darüber habe ich mich ehrlich gesagt ganz besonders gefreut.
Wohin geht die Reise bei den Heilpilzen? Gibt es Trends? Was interessiert Dich weiterhin daran?
Spannend ist es für mich, wenn Ärzte, Mykotherapeuten, Heilpraktiker die Hinweise auf verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Heilpilzen aufgreifen oder Anwender ihre Erfahrungen damit machen. Es ist immer ein Wechselspiel zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Erfahrungswerten der Anwender. Natürlich setzt das auch immer eine gesunde Vorsicht voraus. Denn restlos erforscht sind die Heilpilze noch lange nicht. Mein Eindruck ist, dass der Erkenntnisgewinn sich in diesem Bereich großteils noch in der Grundlagenforschung vollzieht. Also der Ermittlung von Inhaltsstoffen und deren grundlegenden pharmakologischen Wirkungsweisen. Die Asiaten sind in diesem Bereich führend. Teils aufgrund ihrer langen Tradition was die Anwendung von Heilpilzen betrifft, teils aber auch aufgrund unzähliger Forschungsprojekte und Studien, was natürlich auch Geld kostet, das hier bei uns dafür in diesem Ausmaß für die Grundlagenforschung nicht vorhanden ist. Leider gibt es hier zusätzlich noch das Problem der Sprachbarriere. Aber ich denke, dass gerade aus dem asiatischen Raum, aus China und Japan, noch viel mehr zu den Heilpilzen kommen wird.
Zu welchen Heilpilzen hast Du persönlich eine besondere Beziehung?
Wenn ich den Chaga, also den schiefen Schilllerporling, an der Birke sehe fasziniert mich der schon sehr. Dieses schwarze krustige Gebilde mit diesem leuchtenden orangem Kern. Als Sud ist der für ich schon ein interessantes Gebräu mit einer ganz besonderen Kraft. Auch den Birkenporling mag ich sehr, es sind ja vor allem die Bitterstoffe, von denen wir für gewöhnlich zu wenig zu uns nehmen, die aber sehr gesundheitsfördernd sind.
Was war die ursprüngliche Intention für Dein Buch und wie stehst Du zu diesem neuen Vitalpilz / Heilpilz Trend?
Die Intention war eigentlich das Interesse für die Heilpilze auf breiter Front zu wecken und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Am Ende soll der Leser in Eigenverantwortung das für ihn rausziehen, was ihm individuell von Nutzen ist, also seine eigenen Schlüsse ziehen.
Bei der Einschätzung, dass die meisten sich die Pilze in Form von Pulver oder Extrakten ohnehin aus dem Internet bestellen würden war ich vielleicht etwas zu naiv. Ich dachte nicht daran, dass ein Buch zu einem Nischenthema dazu führen würde, dass die Leute in den Wald laufen und alles zu sich mit nach Hause nehmen, ohne im Anschluss daran überhaupt alles sinnvoll verarbeiten zu können. Erstens ist zB. die Verarbeitung eines Zunderschwamms aufgrund seiner holzartigen Konsistenz sehr mühsam, und zweitens reicht ein einzelner davon schon aus, um ihn monatelang anwenden zu können. Letztendlich hoffe ich aber, dass der Naturschutzgedanke überwiegt und die Achtsamkeit gegenüber Heilpilzen der Heilpilzsammler sich von der Gier mancher Speisepilzsammler unterscheidet. Der Heilungsgedanke führt, sofern richtig verstanden, immer zu einem ganzheitlichem Naturverständnis. Also zu einem ausgewogenem Verhältnis von Maß und Ziel. So gesehen kann dieser Trend durchaus auch sehr viel Positives bewirken.
Wir haben uns ja bei der Seminarwoche der ARGE Pilzberater getroffen. Was sind Deine Erfahrungen hier bei dieser Veranstaltung und was nimmst Du daraus mit?
Von den meisten hier wurde ich sehr nett und interessiert aufgenommen, von einigen ganz besonders herzlich. Vor 10 oder 5 Jahren wäre das vielleicht noch nicht möglich gewesen, da hätte man mich wahrscheinlich noch gar nicht eingeladen. Wo kannst du dir in einer Woche so viel Fachwissen verfügbar machen? Ich glaube, die Vereinsmitglieder bezahlen für die Seminarwoche 60 Euro. Wo sonst gibt es so etwas noch? Das gibt es nur bei den Pilzlern. Ich für meinen Teil habe wieder einiges dazu gelernt. Es ist auch faszinierend zu sehen, dass es für jede ökologische Nische jemanden gibt, der sich in einem solchen Ausmaß dafür interessiert. Die einen für winzigste Pilzchen, die an einer Fichtennadel kleben, die anderen mikroskopieren und kartieren, also das ist schon unglaublich was für ein Austausch hier statt findet. Da kann man sich schon wohlfühlen. Aus dieser Woche nehme ich einige neue, interessante Informationen mit, ein paar gute neue Kontakte und die Motivation mich selbst, abseits der Recherchearbeit, wieder mehr mit den Heilpilzen in der Natur zu beschäftigen und dieser konsequenter anzuwenden.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ein zweiter Teil mit weiteren Pilzporträts. Ich weiß zwar noch nicht, ob und wann das tatsächlich das Licht der Welt erblicken wird, aber ich würde dieses Thema gerne weiterhin umfassend behandeln wollen. Also alles was in der jetzigen Ausgabe noch fehlt. Vielleicht muss ich mich von der bisherigen Vorgangsweise lösen, denn es gibt auch einige Pilzarten wo ich diese Gesamtinformation nicht abdecken kann und ich mich auf wichtige Einzelinformationen konzentrieren sollte. Also nur so auf einer halben Seiten oder wie auch immer. Ein ergänzender zweiter Teil macht auch deshalb Sinn, weil das Buch sonst zu umfangreich und damit zu teuer werden würde. Eventuell gehe ich auch in den Bereich der Kleinpilze hinein, da schwirren mir zur Zeit noch viele Gedanken im Kopf herum. Auch auf den Anbau und bei den verschiedenen Extraktionsverfahren, da könnte ich auch noch genauer hinschauen. Und genauere Anleitungen, was die Verarbeitung und die Anwendung betrifft, wären sicherlich auch noch ein Thema. Der Erkenntnisgewinn bei den Heilpilzen wird auch weiterhin mein bevorzugtes Gebiet sein. Meine Qualität besteht sicherlich darin, Studienergebnisse und Erfahrungen aus aller Welt zusammenzutragen und sie dem geneigten Leser in geordneter und sorgsam aufbereiteter Form zu präsentieren. So gesehen bleibe ich mit meiner Arbeit den Pilzfreunden sicherlich noch lange und gerne erhalten.
Danke für das ausführliche Gespräch und alles Gute für Deine Zukunft!
Das Standardwerk zu den Heilenden Pilzen. Ein Muss, für alle die sich gründlich mit dem Thema „Heilende Pilze“ beschäftigen wollen und nicht zuletzt für alle Pilzinteressierten:
Jürgen Guthmann
Heilende Pilze – Die wichtigsten Arten der Welt
Quelle & Meyer Verlag
Klaus-Josef
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